Kurzgeschichten
Kirsten Martens
nahm ihre kleine Tochter bei der Hand und steuerte mit ihr geradewegs
auf den Turm zu. Von Weitem konnten beide schon einen blonden hünenhaften
Mann auf sie zukommen sehen. Er trug ein liebes Lächeln im Gesicht
und winkte mit seinen Händen. Elisabeth riss sich von ihrer Mutter
los und rannte auf ihren Onkel zu. Sie sprang hoch und klammerte sich
um seinen Hals. Dieter Verhoeven drückte seine kleine Nichte ganz
fest an sich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Über eine Wendeltreppe gelangten sie in einen kleinen aber sehr gemütlich eingerichteten Raum. An den Wänden hingen alte kleine Schiffsbilder und in der Vitrine konnte man wunderschöne Bootsmodelle bewundern. Ein Tisch, drei Sessel und eine Kochnische ergänzten die Einrichtung. Das Schlafzimmer lag genau über diesen Raum und war auch über die Wendeltreppe erreichbar. Über diese kam man auch in das „Kernstück“ des Turmes, in den rundum verglasten „Lichtspiegelraum“. Während Kirsten
und Elisabeth sich gemütlich hinsetzten, stellte Dieter Kaffee
und Kakao zu. Die nächsten
drei Tage vergingen wie immer viel zu schnell. Aber sie konnten alle
das wunderschöne Wetter und die gute Luft ausnützen. Kirsten
erholte sich ein wenig vom Alltagsstress und konnte sich richtig entspannen.
Elisabeth unternahm mit ihrem Onkel eine kleine Bootsfahrt, besuchte
ihre Freunde im kleinen Ort und ließ ihren abenteuerlichen Gefühlen
freien Lauf. Sie spielte im Turm und durfte auch einmal das Licht betreuen.
Auch für Dieter war der Besuch eine willkommene Abwechslung.
„Elisabeth,
Elisabeth Kleines“ hörte das Mädchen auf einmal die
Stimme ihres Onkels. Kirsten war auch
kurz eingenickt, doch die Kälte und die Angst ließen sie
nicht einschlafen. Sie bemerkte, wie unruhig Elisabeth schlief. Die
Kleine drehte sich von einer Seite auf die andere und schüttelte
dabei immer wieder ihren Kopf. Dann riss sie plötzlich die Augen
auf und flüsterte: Nun standen sie
beide vor einer kleinen Hütte, aus der Licht auf den Weg schien.
Kirsten klopfte, ohne viel dabei zu überlegen, an die Holztür.
Eine nette Frau öffnete und fragte erstaunt: Es klopfte an der
Tür. Draußen standen zwei Polizeibeamten. Die nette Dame
ließ sie herein und sie hörten sich von Kirsten das Erlebte
an. Die Polizisten nahmen alles genau auf und einer der Beamten fragte
Kirsten: Am nächsten
Tag geschah dann alles so wie besprochen. Der Autopannendienst holte
Kirstens Auto und stellte ihr für die Heimfahrt ein Ersatzauto
zur Verfügung. Zu Hause angelangt wollte Kirsten von Elisabeth
wissen: © 22.09.2006 gerryG
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Am nächsten
Morgen stand Richard sehr zeitig in der Früh auf. Er bereitete
sich ein Frühstück zu und holte die Zeitung von seinem Briefkasten.
Er setzte sich an den Tisch und schmierte sich Butter und Erdbeermarmelade
auf sein Croissant. Richard machte einen genüsslichen Biss. Dann
verschwand sein Kopf in der Tageszeitung. Als er so in den Neuigkeiten
versunken war, kam ihm der Junge wieder in den Sinn. Nach einigen Augenblicken
versuchte er den Gedanken wieder zu verwischen. Ein fremder Junge, wieso
sollte der ihm eigentlich interessieren? Warum ist das so etwas Besonderes?
Er der „Menschenfeind“, denkt plötzlich an ein fremdes
Kind, das wäre doch lächerlich. Richard unterdrückte
diese Gedanken und las einfach in seiner Zeitung weiter. Er ließ
sich auch die frischen Croissants gut schmecken. Nach dem Dritten hatte
er aber doch genug und schenkte sich nur mehr etwas Kaffee nach. Er
nahm seine Tasse in die Hand und ging damit in sein Wohnzimmer. Er betätigte
die Fernbedienung und machte es sich vor dem Fernseher gemütlich.
Vielleicht käme er so auf andere Gedanken. Am diesem Nachmittag
war es wieder einmal so weit, Cornwall musste zum Einkaufen in die Stadt.
Er stieg in sein Cabrio und fuhr los. In der Stadt angekommen, parkte
er sein Auto und mischte sich unter das Volk. Mit gesenktem Kopf spazierte
er durch die Straßen. Er tätigte seine Einkäufe und
brachte sie zu seinem Wagen. Dort angekommen verstaute Richard die Einkaufstaschen
im Kofferraum. Normalerweise würde Cornwall jetzt nach Hause fahren
und seinen Einkaufstag beenden. Aber dieser Tag sollte für Richard
eine andere Fortsetzung erfahren. In den nächsten Tagen änderte sich das Leben Richards grundlegend. Er verbrachte sehr viel Zeit in der Stadt, ging ins Kino, besuchte Kaffeehäuser und unterhielt sich mit den Leuten. Auch ging er immer erhobenen Hauptes durch die Gassen, immer ein Lächeln im Gesicht tragend. Er ertappte sich auch dabei, dass er den Blicken der Frauen nicht mehr auswich. Er hatte das Gefühl, dass er für eine neue Beziehung wieder offen war. Cornwall war wieder ein rundum glücklicher Mensch. Da Richard kein
Bedienungspersonal anstellen wollte, führte er seinen Haushalt
komplett alleine. Dies sollte sich auch mit der wieder gefundenen positiven
Lebenseinstellung nicht ändern. Nach dem großen Hausputz
kochte er sich sein Essen und begab sich nach dem Mittagsmahl in den
Garten. Mit der beliebten Zeitung unter dem Arm machte er es sich auf
seiner Hollywoodschaukel bequem. Als er gerade den Sportteil lesen wollte,
hörte er das Geräusch eines aufspringenden Balles. Der Junge?
Der Junge – schoss es ihm durch den Kopf. Er warf einen Blick
über den Zaun und seine Augen bestätigten seinen Gedanken.
Der schwarzhaarige Bub spielte wieder vor seinem Haus. Nur dieses Mal
verhielt sich Richard total anders. Er ging ins Haus, holte einen Schokoriegel
und ging damit zum Zaun. Er begrüßte den Jungen und wollte
ihn den Schokoriegel schenken. Doch der Bub bedankte sich mit einem
Kopfschütteln und sagte: Einer
seiner Spaziergänge, die Cornwall jetzt fast täglich absolvierte,
führte ihn zu einem kleinen Kinderspielplatz. Richard gefiel das
lustige Treiben und die fröhlichen Gesichter der Kinder. Er setzte
sich auf eine Parkbank und beobachtete freudig die gut gelaunten Menschen.
Mitten im Durcheinander entdeckte er einen kleinen schwarzhaarigen Buben.
Es war der Junge, der öfter vor seinem Haus Ball spielte. Auch
der Junge dürfte Cornwall erkannt haben, denn er lief zu einer
zirka dreißigjährigen Frau und rief: Das Picknick am Wochenende wurde für alle ein voller Erfolg. Rita und Richard kamen sich näher und Marc war der glücklichste Junge der Welt. Er hatte ein neues Gefühl kennen gelernt, das Gefühl endlich eine „Vaterfigur“ an seiner Seite zu wissen. Cornwall mochte den Jungen von Anfang an. Er sah in Marc sein eigenes Kind. Aus den Dreien wurde eine richtige Familie. Rita und Richard heirateten und nach einem Jahr musste in Cornwalls Haus ein neues Kinderzimmer eingerichtet werden. An einem wunderschönen
Mai Abend saßen Rita und Richard im Garten auf der Schaukel und
sahen gemeinsam in den Sternenhimmel. Beide waren glücklich und
mit ihrem Leben voll und ganz zufrieden. Sie wussten, dass das Schicksal
es gut mit ihnen meinte und sie zusammenführte. Als Rita sich an
Richards Schulter lehnte und ihm zärtlich auf die Wange küsste,
fiel Cornwall das Gebet in der Kirche ein. Gott hatte ihm den richtigen
Weg gezeigt, doch sein Leben in den Griff zu bekommen und daran zu glauben,
musste er schon alleine. © 10.10.2006 gerryG
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Vor ein paar Tagen
begegnete er „Ihr“ auf der Straße. Als er so dahin
spazierte, stand sie plötzlich vor ihm. Sie hatte die Ausstrahlung
eines Engels. Blondes langes Haar, blaue sanfte Augen und wunderschön
geformte Lippen. Dieser Mund lud förmlich zum Küssen ein.
Wie aus heiterem Himmel sprach sie ihn an: Martin beugte sich
zum Couchtisch vor und zündete sich eine Zigarette an. Er wollte
sich das Rauchen schon sehr oft abgewöhnen, aber dazu fehlte leider
der letzte Wille. Er blies kleine Wölkchen vor sich her und war
in seinen Gedanken versunken, als es an der Wohnungstür klopfte.
Da es schon fast einundzwanzig Uhr war, wunderte er sich über den
späten Besuch. Er öffnete die Tür und sah in ein blaues,
von Tränen feuchtes, Augenpaar. Martin blickte wie
in Trance in den Fernseher und konnte die Welt nicht mehr verstehen.
Hatte er geträumt oder war das Erlebte reine Wirklichkeit? Kopfschüttelnd
räumte er den Tisch ab. © 09.07.2006 gerryG
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„Schatz“! Die Bundeshymnen werden gespielt: „Du hast
dir leider den falschen Zeitpunkt ausgesucht“ Die Heimmannschaft baut einen raschen Angriff auf und – daneben: „Ich werde
nicht mehr mit dir schlafen“ Tooor –
die Heimmannschaft geht in Führung: Pause: „Liebling“! Beginn der zweiten Spielhälfte: „Kannst
du mir etwas zum Trinken bringen“ Das Team führt 2:0: „Tor, Tor,
Tor – Hurra“ „Tschüss“ Sieg – und Abpfiff: „Wir haben gewonnen“! -Stille- nur die Tür fällt leise ins Schloss. © 27.06.2006 gerryG
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Er war ein zwölfjähriger Junge. Er war Mexikaner und hieß Juan Vasquez, aber alle riefen ihn nur mit seinem Spitznamen „Juanito“, Juanito war nicht besonders kontaktfreudig, ich würde sogar behaupten, ein wenig menschenscheu. In der Schule und in seinem Freundeskreis galt er deshalb immer als Außenseiter. Er blieb aber trotzdem immer freundlich, lieb und ehrlich. An einem dieser verflixten Nachmittage, spazierte Juanito wieder einmal alleine durch die Gassen. Er sah sich gerne die Auslagen der kleinen Läden an oder beobachtete einfach die Menschen. Als er in eine kleine dunkle Seitengasse einbog, bemerkte er eine Gruppe Jugendlicher vor sich. Er dachte sich nichts Besonderes dabei und wollte seitlich an ihnen vorbei gehen. Doch die Jugendlichen, fünf an der Zahl, sie hatten ungefähr das gleiche Alter wie Juanito, hinderten ihn daran. Ohne viele Worte stürzten sie sich auf den Jungen und schlugen auf ihn ein. Sie raubten seine Taschen aus und stahlen auch noch sein Handy. Dann lief die „Gang“ einfach davon und ließ Juanito blutverschmiert am Boden liegen. Juanito kroch zu der Hausmauer und kauerte sich an diese. Tränen der Verzweiflung rannten über seine Wangen. Er schluchzte bitterlich und wischte sich mit den Händen über das Gesicht. Blut, Schmutz und Tränen vermischten sich auf seiner Haut. Er fühlte sich einsam und von der Welt im Stich gelassen. Plötzlich fühlte er eine sanfte Berührung auf seiner zerschundenen Wange. Juanito sah auf und blickte in die gelben Augen eines stattlichen grauen Wolfshundes, der liebevoll Juanitos Wunden leckte. Bei dem Jungen waren Angst, Verzweiflung und Schmerz sogleich verflogen. Er streichelte über das graue Fell des Hundes und drückte sein Gesicht an ihn. Nun wurde es Zeit nach Hause zu gehen. Auf dem Heimweg lief der Vierbeiner immer ein paar Schritte hinter Juanito her, aber er ließ den Jungen niemals aus den Augen. Juanito lächelte, denn er hatte einen neuen Freund gefunden, den er auf keinen Fall mehr verlieren wollte. Zu Hause angekommen erzählte er seinen Eltern das erste Mal, was sich alles so zugetragen und wie er den Wolfshund kennengelernt hatte. Juanito sagte ihnen auch, dass er den Hund behalten wolle. Die Gefühlswelt der Eltern überschlug sich. Zuerst waren sie entsetzt über die Geschichte mit der Straßenbande, erfreut, weil alles so ausgegangen war und zu guter Letzt waren sie auch noch mit dem Hund konfrontiert. Da aber die Freude und Erleichterung siegten, erlaubten sie dem Jungen schließlich, den Hund zu behalten. Juanito strahlte über sein ganzes Gesicht und fiel seinen Eltern um den Hals. Dann aber kümmerte er sich sofort um seinen neuen Freund. Er gab ihm zu trinken und zu fressen. Dankbar wedelte dieser mit seinem Schwanz. Verbissen dachte Juanito darüber nach, welchen Namen er seinem Freund geben sollte. Selbst beim Einschlafen dachte er noch daran. Mitten in der Nacht wachte der Junge auf - und hatte auch schon den Namen im Kopf. Wenn der Hund schon wie ein Wolf aussah, sollte er in Zukunft auch „Wolf“ heißen. Zufrieden schlief er wieder ein. Zwischen den Beiden entwickelte sich eine Freundschaft, wie sie unter Menschen fast nicht vorstellbar ist. Sie waren unzertrennlich, nur während der Schulstunden musste sich Wolf mit den Eltern Juanitos zufriedengeben. Durch die Freundschaft zu seinem treuen Wolf und die Sicherheit, die er dadurch gewann, wurde auch der Umgang zu seinen Mitschülern und Freunden von Tag zu Tag besser. Jetzt ging Juanito sogar mit seinen Freunden Fußball spielen und schwimmen. Er war nun kein Außenseiter mehr, sondern er war endlich einer von „Ihnen“. Da Juanito jetzt immer mit seinem Hund unterwegs war, hatte der Zufall eine Überraschung für die Beiden. Bei einem ihrer täglichen Spaziergänge lief ihnen die „Straßengang“ über den Weg. Nur dieses Mal wendete sich das Blatt. Wolf legte die Ohren an und begann unruhig zu knurren. Die Lefzen gaben seine spitzen und großen Zähne frei. Dann sprang er mit erhobenem Kopf auf die Gang zu. Die Jugendlichen dachten nicht lange nach, nahmen ihre Beine in die Hände und hinterließen nur mehr eine Staubwolke. Juanito lachte lauthals, als er Wolf zu sich rief. Aus den „starken Fünf“ waren die schnellsten „Hasenfüße“ geworden. Der Junge strich Wolf zum Dank lobend über den Kopf und ging mit ihm des Weges. Am übernächsten
Tag klopfte es an Juanitos Tür. Als er öffnete, stand ein
Junge von der Straßengang im Flur. Er entschuldigte sich und
seine Freunde für die Dummheit, die sie begangen hatten. Dann
gab er Juanito das Handy und die anderen gestohlenen Sachen zurück.
Er klopfte dem kleinen Vasquez auf die Schulter und verabschiedete
sich mit den Worten: Ich ließ
diese Geschichte aus reiner Absicht positiv ausklingen. Vielleicht
kann man sich an meinen Protagonisten ein kleines Beispiel nehmen.
Zum einen sollte man immer vorsichtig mit Vorurteilen gegenüber
Jugendlichen sein, die nicht in unser Schema passen. Man sollte das
„Warum“ dieser „Dummheiten“ öfters hinterfragen. Mit einem freundlichen Schwanzwedeln – Wolf! © 24.06.2006 gerryG
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Am nächsten
Morgen saß David beim Frühstück und dachte wieder
einmal über den Sinn des Lebens nach. Fragen über Fragen
quälten seinen Kopf. Kann es sein, dass man sich in eine Unbekannte
im Internet verliebt? Kann man bei diesem Gefühl von Liebe sprechen?
Ist diese Liebe nicht nur ein Traum? Ist es nicht doch nur ein Wunschdenken?
Liebe – imaginär? In den nächsten Wochen wuchs in ihm immer mehr das Verlangen, dass er sie persönlich kennen lernen wollte, nein – musste. Gedacht, getan, David nahm sich Urlaub und setzte seine Idee in die Tatsache um. David stand am Flughafen und fieberte seinem Reiseziel entgegen. Als das Flugzeug endlich abhob, waren die Schmetterlinge in seinem Bauch nicht mehr zu beruhigen. Nun würde er auch ohne Flieger über den Wolken schweben. Er stand mit pochendem
Herzen vor Nicoles Wohnungstür. Vorsichtig drückte er den
Gong. Die Sonne blinzelte
beim Fenster herein und vermittelte David einen wunderschönen
Tagesbeginn. Der Geruch von frischem Kaffee kroch ihm in die Nase. Der See war wirklich
ein Geschenk von Mutter Natur. Schwäne schwebten majestätisch,
in harmonischer Eintracht mit den Wildenten, über dem silbrig
glänzenden Wasser. Vögel zogen ihre Kreise und kleine Frösche
quakten am Ufer. Für David war das Fauna und Flora in Vollendung. Zwei traumhafte
Tage verbrachte David noch bei Nicole, dann musste er wieder nach
Haus fliegen. Als er in sein Flugzeug stieg, stand Nicole schon am
großen Aussichtsfenster. David hielt die weiße Feder in der Hand und berührte sie sanft mit seinen Lippen. Dann legte er sie auf seinen Schreibtisch und tippte in die Tasten seines Laptops: „Liebe Nicole! Nicole und David sind heute noch sehr gute Freunde. Sie mailen sich häufig und halten sehr guten Kontakt übers Internet miteinander. Auch ihre Liebe behielten sie tief in ihren Herzen. Die weiße Feder wird ewig Zeuge sein, welch sonderbare Wege die Liebe oft geht. Aber vor allem lebt in ihnen, die Erinnerung an die Libellen am See. © 19.05.2006 gerryG
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